Website-Icon Akshayas Welt

Amazon als Trittbrettfahrer von Google und Apple

Lieber Johannes Boie,

eigentlich mache ich sowas nie. Also, auf Zeitungsartikel antworten. Nagut, fast nie. Okay, okay, dies ist das allererste Mal. Und dann auch noch öffentlich! Verzeihen Sie mir, aber Ihr Artikel „Amazon erfindet den Lauschsprecher“ vom 07.11.2014 in der Süddeutschen Zeitung ruft nach einer Antwort. Das liegt nicht daran, dass ich ihn heute recht früh gelesen habe, noch vor dem Frühstück! Sondern ich habe den Eindruck, dass Sie etwas ganz, ganz Wichtiges vergessen haben zu erwähnen. Und das ist schade. Lassen Sie mich ein paar Dinge anmerken:

Punkt 1: Amazon „erfindet“ den Lauschsprecher

Nein, Herr Boie, Amazon hat den nicht von Grund auf neu erfunden. Firmen wie Google und Apple haben die Technik dahinter erfunden, und zwar mit Google Now und Siri. Amazon verpackt diese Technik nur anders und will sie in einer „wohnzimmertauglichen“ Verkleidung an den Mann bringen.

Punkt 2: Amazon ist innovativ

Nee, auch hier bin ich nicht Ihrer Meinung. Was den Webshop angeht, sicher, da war Amazon Vorreiter. Was die eBook-Reader angeht, auch. Ich würde mich auch beinahe dazu überreden lassen, die Kindle Fire Serie schon fast als innovativ durchgehen zu lassen. Aber das hier? Nee. Das ist höchstens eine Weiterentwicklung und Kombination von Techniken, die bereits vorhanden sind.

Punkt 3: Kein Hersteller hat so einen „Dauerlauscher“ bereits erfunden

Doch, doch. Google mit Google Now und Apple mit Siri. Auch diese beiden lauschen ständig auf ihr eigenes Codewort, wenn man sie lässt. Und das sogar in Form von Smartphones oder Smartwatches, die nahezu ständig am Körper getragen werden.

Punkt 4: „Echo“ sticht heraus, weil nun auch Wohn- und Schlafbereich dauerhaft online sein sollen

Hier mal ein kurzer Blick auf die Realität: Jeder, der heutzutage ein (modernes) Smartphone besitzt, ist ständig und überall mit dem Internet verbunden. Das Smartphone wird, wie unter Punkt 3 von mir bereits angesprochen, nahezu ständig mit sich herumgetragen, in der Hand, Hosen- oder Hemdentasche etc., von manchen sogar bis aufs Klo! Da werden mal eben Fremdworte bei Wikipedia nachgeschlagen, oder kurz nachgeschaut, was heut abend im Kino läuft. Von den ganzen sozialen Netzwerken mal ganz zu schweigen. Ist doch bequem!

Seien Sie ehrlich: stellen Sie Ihr Smartphone sofort auf „Flugmodus“, wenn Sie nach Hause kommen? Ich wette nicht. Und wenn, dann sind Sie die Ausnahme. Selbst meine Mutter (Mitte 60) besitzt ein iPad und sitzt damit in der Küche, im Wohnzimmer, im Schlafzimmer. Das iPad hat nur WLAN, sie ist eher offline, wenn sie „draußen“ unterwegs ist, denn ein Smartphone hat sie nicht.

Um noch einmal Google Now und Siri anzusprechen: bei Google Now heißt das Codewort „Ok Google“, bei Siri ist es „Hey Siri“. Google Now wird sein Angebot jetzt sogar auf Drittanbieterapps erweitern und nicht mehr nur bei Google suchen lassen. Ich sehe da keinen Unterschied zu „Alexa“.

Selbst das Thema „Hörweite“ bzw. „Reichweite“ des Gerätes, verglichen mit der von Smartphones, relativiert sich wieder, wenn man sich das Einsatzgebiet etwas näher anschaut. Hätte das Gerät nur eine Reichweite eines Smartphones, wäre es komplett unnütz und niemand würde es sich in die Wohnung stellen.

Und das sind nicht die einzigen Geräte, die heutzutage bereits per Sprachbefehl gesteuert werden können. Mir fällt da noch die Xbox One, diverse Smart-TVs und noch so viel mehr ein!

Und wenn Sie mir jetzt noch mit dem Argument um die Ecke kommen, dass man sowohl Google Now als auch Siri ja ein- oder ausschalten könne und nicht jeder sprachbefehlsgesteuerte Geräte besitzt – man kann sich schließlich auch gegen „Echo“ entscheiden und muss sich das Gerät nicht in die eigene Wohnung stellen. Haben Sie ja selbst gesagt.

Punkt 5: Der betont konservative Werbespot

Zunächst habe ich dazu eine Frage: Wo genau war „Mutti“ nicht in der Lage, Echo „richtig“ zu bedienen? Nur weil „Vati“ meinte, sie müsse nicht so laut reden? Ich sehe aber durchaus Ihren Punkt: die klassische amerikanische Familie: Eltern Mitte-Ende Dreißig, drei Kinder so um die 16-12-10 Jahre alt, klassische Rollenverteilung.

Der Werbespot selbst erinnert durchaus an „1984″, jedoch sehe ich da so gut wie nichts, was nicht auch Google und Apple heute schon anbieten. Selbst der Punkt mit der „Shopping List“ – Siri speichert Erinnerungen und Notizen auf Zuruf. Und ob diese Shopping List im Video an Amazon angebunden ist ist zwar recht wahrscheinlich, aber wer sich ein solches Produkt von Amazon ins Haus holt, ist dort eh Dauerbesteller und weiß, dass Amazon alle Einkäufe und Merklisten speichert. Da ist man mit vollem Bewusstsein dabei und will das so. Wird ja auch als Vorteil genannt.

Punkt 6: Die Dauerleitung zum Server

Ich persönlich bezweifle, dass alles Gesprochene zum Server geschickt, dort analysiert und dann wieder zurückgeschickt wird, selbst wenn das Codewort nicht ausgesprochen wurde. Im Video selbst wird gesagt, dass man ein Kommando (hier: „Alexa“) voreinstellt und das Gerät nur auf seinen Namen lauscht und sich dann erst mit dem Server verbindet. Es würde eine extrem große Datenflut entstehen, würde das Gerät wirklich andauernd mit dem Server kommunizieren. Die Kosten für die dafür notwendigen Rechner würden ins Unermessliche steigen. Und das sage ich, obwohl ich selbst datenschutzmäßig eher paranoid unterwegs bin.

Ich lasse mich hier natürlich gern eines Besseren belehren, sofern handfeste Beweise geliefert werden können.

Punkt 7: Regeln und Datenschutz

Hier stimme ich mit Ihnen vollständig überein – mit einer Einschränkung. Wo sind die Regeln für Google, Apple und Co.? Wo ist da die Transparenz? Was es braucht, sind nicht irgendwelche in AGB versteckten Regelungen und Versprechungen einzelner Firmen, sondern handfeste Gesetze, die weltweit gelten.

Wenn ich mir Google anschaue, dann bin ich mir über eine Sache klar: sobald ich Google Now starte, wird mein Bewegungsprofil und alles, was ich suche und über Google speichere, aller Wahrscheinlichkeit nach an Werbetreibende verkauft. Google verheimlicht das auch nicht, denn damit verdient Google sein Geld – mit Werbung.

Werfe ich einen Blick auf Amazon, ist eins logisch – Amazon will mir seine Produkte verkaufen, die Daten werden höchstwahrscheinlich dort bleiben und nicht an Dritte verkauft werden. Amazon wird sich immer weiter in mein Leben einmischen und es mir leichter machen wollen, und es vor allem sich selbst leichter machen wollen, mit mir Geld zu verdienen.

Apple ist da die Firma, der ich bezüglich des Datenschutzes noch am ehesten vertraue – die wollen nur ihre Produkte verkaufen und verdienen weder mit Werbekunden noch mit einem eigenen Webshop ihr Geld. Apple verdient vor allem mit Kundenbindung im Sinne von „alle unsere Produkte spielen so hervorragend zusammen, dass Du gar nichts anderes mehr haben willst“. Darauf sind sie spezialisiert und beherrschen dieses Feld perfekt.

Diesen ganzen Snowden-NSA-FBI-GCHQ-Kladderadatsch lasse ich jetzt ganz bewusst außen vor. Da dürfen sich die Verschwörungstheoretiker und Abschnorchelungsparanoiker drum kümmern.

Und noch was

Ich habe jetzt nur zwei der großen Abschnorchelungsfirmen genannt, aber der große Teich ist voll davon: LG mit seinem Smart-TV, Microsoft mit Windows und seiner Xbox One, Sony mit seiner Playstation und einfach alles, was irgendwie mit Sprachbefehlen zu steuern ist.

Ich selbst bin Kundin bei Amazon und benutze sowohl Produkte aus dem Hause Apple als auch Google. Weder lasse ich Google oder Apple meine Daten abschnorcheln (Google Now respektive Siri wird nicht benutzt und sind deaktiviert bzw. schlicht nicht installiert), noch lasse ich Amazon weiter in mein Privatleben als wirklich nötig. Werbemails sind abbestellt, wenn ich etwas kaufen möchte, dann nutze ich die Suchfunktion. Ich würde auch „Echo“ nicht kaufen.

Ich nutze sämtliche Produkte durchaus mit der nötigen Portion Selbstverantwortung, die man ruhig auch anderen zutrauen kann. Ganz ehrlich – wer da ein bisschen nachdenkt, weiß, dass es Amazon nur ums Geld verdienen geht. Wie jeder anderen kommerziellen Einrichtung auch. Und das kann Amazon nun wirklich nicht angekreidet werden, oder?

Die mobile Version verlassen