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Okay, ich geb’s zu: ich hab Narkolepsie.

Flauschige Katze Spoiler pennt mit ausgestreckten Vorderpfoten

Nu isses raus.

Ich habe lange überlegt, ob ich das hier so öffentlich machen sollte. Immerhin wissen mehrere Tausend Menschen da draußen, wer ich bin, allein schon durch meinen Sims FreePlay Guide und das zugehörige Forum. Ich weiß, dass einige dabei sind, die auch gern mal etwas mehr über mich erfahren möchten. Und ob es da so gut ist, sich mit einer seltenen Erkrankung zu outen? (Zumal „drüben“ bei den genannten Projekten schon gewitzelt wurde, ob ich denn nie schlüfe…)

Outing und Vorurteile

Es gehört eine ordentliche Portion Mut dazu, sich vor Tausenden quasi „nackig“ zu machen und zu sagen, man sei schwer schlafkrank. Und gerade Narkolepsie ist eine der unsichtbaren, chronischen Autoimmunerkrankungen, die immer wieder Vorurteilen ausgesetzt ist.

Nein, ich schlafe nicht „mal eben“ ein. Ja, ich bin oft extrem müde, und nein, das liegt nicht (oder zumindest nicht nur) am Schlafmangel in der Nacht. Und nee, das ist auch nicht durch etwas mehr Schlaf oder früheres Zubettgehen zu beheben. Und nochmal nee, das ist nicht vergleichbar mit „also ich bin ja nach der Arbeit auch oft müde“. Und ein weiteres Mal NEIN, ich bin nicht betrunken und muss meinen Rausch ausschlafen, sondern ich habe gerade eine Schlafattacke, gegen die ich mich nicht wehren kann. Und das ist kein Widerspruch zum Anfang dieses Absatzes!

Wegen dieser ganzen Vorurteile denke ich, es ist wichtig, dass jemand, der durchaus ein bisschen bekannter im Internet ist, einfach mal darüber erzählt. Und das möglichst auch nicht nicht nur einen Artikel, sondern gern ausführlicher, inklusive Podcastfolgen. Es ist wichtig, dass Ihr da draußen erfahrt, wie es einem Menschen mit Narkolepsie so geht, wie es mir so geht. Jedenfalls ziemlich oft, und ganz besonders, wenn die Medikamente mal wieder nicht wirken.

Vielleicht gibt es unter Euch ja Menschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, bei denen aber noch keine Diagnose in Sicht ist. Und vielleicht bringt dieser Artikel genau Dich auf die richtige Idee. Die Dunkelziffer der Nicht-Diagnostizierten ist nämlich ziemlich hoch. Wie schon gesagt, Narkolepsie ist eine unsichtbare, versteckte, fiesemöppige Autoimmunerkrankung, bei der die schlafhormonproduzierenden Zellen im Gehirn unwiederbringlich zerstört werden. Und das bringt so ziemlich alles, was mit Schlaf zu tun hat, durcheinander. Man glaubt ja gar nicht, was da alles zugehören kann.

Symptome

Es gibt vier Hauptsymptome der Narkolepsie: Kataplexien (auch „affektiver Muskeltonusverlust“), extreme Tagesmüdigkeit bzw. -schläfrigkeit,  Schlafattacken und ein zerhackter Nachtschlaf – die aber nicht unbedingt alle bei jeder oder jedem Betroffenen auftreten. Manch ein*e Narkoleptiker*in hat z.B. noch nie eine Kataplexie gehabt (Glück im Unglück!). Dazu kommen noch so unspezifische Symptome wie schwere Albträume, Halluzinationen beim Einschlafen oder Aufwachen, Schlaflähmungen und automatisches Handeln. Unspezifisch deshalb, weil diese Symptome auch bei anderen Schlafkrankheiten oder manchmal auch einfach nur so auftreten, ohne gleich auf einen gestörten Schlaf hinzuweisen.

Kataplexie

Kataplexie bedeutet, dass der Körper vor allem bei starken Gefühlen seine Spannung  in der Haltemuskulatur zumindest zum Teil, oft aber auch komplett verliert. „Haltemuskulatur“ bezeichnet die Muskeln, die dazu da sind, den Körper aufrecht zu halten – Beine, Rücken, Bauch, Arme, Gesicht, Nacken und so. Die lebenserhaltenden Muskeln wie das Herz und auch andere durch Muskeln betriebene Innereien und Körperregionen (wie Beckenboden und Blase) zählen glücklicherweise nicht dazu. Der betroffene Mensch sieht aus wie ohnmächtig, ist aber bei vollem Bewusstsein und kriegt alles mit, kann sich aber nicht mitteilen.

Im Klartext heißt das, dass ich bei Aufregung jeglicher Art – besonders Erschrecken, Angst, Lachen etc. – innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde ohne Muskelspannung zu Boden fallen kann. Je nach Intensität des auslösenden Gefühls kann so eine Kataplexie ein „Zusammensinken in Zeitlupe“, ein spontaner „Flatsch“ oder auch nur ein herunterhängender Arm mit schiefem Grinsen sein. Diese Lähmungszustände dauern je nach Intensität und andauernder Aufregung während der Kataplexie selbst bis zu 45 Minuten. Ein widerlicher Zustand, kann ich Euch sagen!

Es ist nicht so, dass ich halt wie gelähmt herumliege und dann „padautz“ wieder aufstehe, als wäre nichts gewesen. Mein Körper zuckt währenddessen immer wieder kurz, um zu testen, ob nicht doch schon wieder was geht. Und nur ganz, ganz langsam, wenn ich ausreichend Kraft habe, versuche ich mich vorsichtig aufzurichten oder mich irgendwo hinzuziehen (die Arme haben meist zuerst wieder Kraft), damit ich mich auf einen Sessel setzen kann. Es ist furchtbar anstrengend, es ist kräftezehrend, es ist zermürbend.

Extreme Tagesschläfrigkeit

Dazu brauche ich nicht viel sagen. Es reicht folgender Vergleich: ein Mensch mit Narkolepsie ist ohne Medikamente am Tag ungefähr so müde wie ein „normaler“ Mensch, der mindestens 36 Stunden nicht geschlafen hat. Wissenschaftlich erwiesen. Manch Studie sagt sogar, es seien 48 Stunden, aber ich finde, 36 Stunden reichen auch gut als Vergleich.

Ich kann nicht richtig denken, mich kaum konzentrieren, ich habe einen schleppenden Gang, bin insgesamt sehr langsam und kann kaum irgendwas machen. Wenn ich in dem Zustand vom Bett auf Klo und wieder zurück komme, ist das schon viel. An meinen schlimmsten Tagen habe ich nicht einmal 200 Schritte auf meinem Schrittekonto.

Die narkoleptische Tagesschläfrigkeit ist also nicht vergleichbar mit „ich bin auch immer müde, wenn ich von der Arbeit nach Hause komme“ und ist auch nicht „mit ein bisschen mehr Bewegung an der frischen Luft“ zu beheben. Es wäre toll, wenn das so einfach wäre, denn glaubt mir, ich hätte das schon längst gemacht.

Schlafattacken

Die sind garantiert für das Vorurteil verantwortlich, dass „Narkoleptiker ja immer und überall einschlafen können“. Stimmt aber nicht. Ich kenne das so, dass ich bei Anstrengungen jeder Art, auch starken Gefühlen, plötzlich extrem müde werde, heftig gähne, anfange zu lallen oder verwaschen zu sprechen und kaum noch laufen kann. Ich muss dann schlafen. Mich irgendwo hinsetzen oder -legen und rund 10 Minuten schlafen.

Danach bin ich wieder besser drauf und kann wieder weiter gehen, aber schlafen muss dann sein. Und dieser Schlaf ist nicht so, dass ich nicht sehe, höre oder rieche, ich kriege alles wie durch Watte mit und meine Augen bewegen sich sehr schnell. Andere Narkoleptikerinnen und Narkoleptiker erleben das anders, manche auch gar nicht.

Zerhackter Nachtschlaf

Sobald ich das erwähne, kommt oft „Ach, DESHALB bist Du tagsüber immer müde! Da hilft mir ja Baldrian, wenn ich nicht richtig schlafen kann. Hast du das schon mal probiert?“ oder ähnlicher Mist, deshalb führe ich dieses Symptom am liebsten gar nicht an.

Der Nachtschlaf einer oder eines „Narkis“ sieht manchmal so aus, dass zwar problemlos eingeschlafen wird, aber der Schlaf dauert vielleicht nur eine Stunde, und dann liegt man wieder wach. Und kann nicht wieder einschlafen. Oder kann einschlafen, diesmal aber nur für 30 Min, und ist dann wieder wach. Und so weiter, ich habe Nächte erlebt, in denen ich 10 oder mehr sehr kurze Schlafphasen hatte, und am Ende doch nur ungefähr 6 Stunden geschlafen habe. Standard ist bei mir inzwischen zwei oder drei Phasen und insgesamt rund 5-6 Stunden.

Selbstverständlich hat der wenige erholsame Schlaf auch mit der Tagesmüdigkeit zu tun, aber nicht nur. Ich bin manchmal nach 4 Stunden Schlaf den ganzen Tag fitter als wenn ich 8 oder mehr Stunden geschlafen habe.

Der restliche Kram

Albträume muss ich wohl nicht erklären, die kennen wohl so ziemlich alle Menschen.

Schlaflähmungen kennen auch viele Menschen: man kann sich kurz nach dem Aufwachen oder Einschlafen nicht bewegen. Das ist für ein paar Minuten ein gruseliges Gefühl, geht dann aber bald wieder weg.

Fies wird es allerdings, wenn sich so eine Schlaflähmung mit einer „hypnagogen Halluzination“ zusammentut: bei dieser beim Einschlafen oder Aufwachen auftretenden Halluzination erscheint alles sehr real und kann sich nicht bewegen. Das Thema dieser Hallus ist meist ziemlich blutig und ich sag mal so: ich weiß schon sehr genau, warum ich Filme aus dem Horror- oder Splattergenre nicht gucke. Muss ich gar nicht, hab ich oft genug auch so. Mit mir als Hauptopfer und allen Gefühlen, die man dabei so hat. Ja, auch inklusive der körperlichen Empfindungen.

Automatisches Handeln kann ganz lustig sein, aber auch hochgefährlich. Es kommt Schlafwandeln recht nah, ist es aber nicht wirklich. Der Kopf schläft ein und der Körper macht halt einfach mit dem weiter, was er denkt, was noch getan werden muss. Da wird vielleicht mit Butter die Schuhe geputzt oder Kloreiniger landet im Ofen und der wird angestellt, auf dass der Herd auf einmal zur offenen Feuerstelle wird, was so ganz sicher nicht beabsichtigt war. Alles schon passiert, aber nicht mir persönlich. Glücklicherweise. Automatisches Handeln passiert oft dann, wenn man einer Schlafattacke nicht nachgeben kann. Der Kopf kann einfach nicht mehr und schläft schon mal vor, aber der Körper muss noch. So passieren übrigens auch oft Unfälle im Straßenverkehr (nicht nur, aber auch als Autofahrer).

Alles in allem

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass Narkoleptikerinnen und Narkoleptiker es nun wirklich nicht verdient haben, dass ihre Krankheit bagatellisiert wird, genau wie alle anderen chronische Krankheiten auch. Und damit ich als „professionelle Narki“ nicht mehr ganz so oft unter manchen Hass-Sätzen leiden muss, starte ich jetzt diesen Themenbereich in meinem Blog. Hoffentlich hilft’s, mir, Dir und vielen anderen.

P.S.: Wenn Du  jeden Tag mit starker Müdigkeit oder Schläfrigkeit kämpfst oder ähnliche Symptome hast, ab zum Facharzt (Neurologie bzw. Schlafmedizin) und lass Dich in ein gutes Schlaflabor schicken. Es kann vieles dahinter stecken, auch Narkolepsie, und das gehört behandelt.

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